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Pressemitteilung

200 Flaschen Bier pro Kopf: Wissenschaftliche Fakten zum 30. Tag des Bieres

Am 23. April feiern wir den Tag des Bieres und nehmen dies zum Anlass, um zu klären, was eigentlich drin ist im Gerstensaft, wie der Geschmack zustande kommt und warum so viele Menschen das Getränk so sehr lieben.

Deutschland. Wenn man im Ausland jemanden fragt, wie man sich Deutschland vorstelle, werden dabei oft die gleichen Bilder umschrieben. Bier ist eines davon und in der Tat gibt es in unserem Land eine sehr alte und reiche Brautradition, eine Vielfalt lokaler Brauereien, unzählige Biersorten und mindestens genau so viele Anlässe, um Bier zu konsumieren.

In der Tat gehören die Deutschen zu den größten Biertrinkern der Welt. Auch wenn der Konsum seit einigen Jahren zurückgegangen ist, kamen wir im Jahr 2020 laut einer Studie des Statistischen Bundesamtes auf einen durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 93,3 Litern. Das entspricht in etwa 200 Flaschen Bier. Doch was macht sie aus, die Faszination zum Gerstensaft? Wie bekommt man den Alkohol aus dem Bier und wie kann man mit so wenigen Zutaten so viele Geschmäcker erzeugen? Dr. Margit Jekle ist Professorin für Lebensmitteltechnologie und pharmazeutisches Qualitätsmanagement. Im Interview beantwortet sie die spannendsten Fragen rund ums Bier.

Was ist drin im Bier?

Jekle: „Gemäß dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 darf zur Bierherstellung nur Wasser, Malz, Hopfen und Hefe verwendet werden. Das Reinheitsgebot gilt als die älteste, heute gültige lebensmittelrechtliche Vorschrift der Welt. Deutsche Brauereien dürfen, im Gegensatz zu internationalen Brauereien, daher keine Zusatzstoffe wie Aromen oder Farbstoffe außer diesen vier Zutaten dazu geben, da sie ein geschütztes „Traditionelles Lebensmittel“ herstellen.“

Wie ist es möglich, dass man mit so wenigen Zutaten so viele Geschmäcker erzeugen kann?

Jekle: „Mit nur vier Zutaten 40 verschiedene Sorten Bier mit rund 7000 einzelnen Biermarken herzustellen erfordert kurz gefasst viel Fachwissen, Zutatenqualitäten und verschiedenste Herstellungsprozesse. Bei Schwarzbier, einem dunklen Vollbier, wird das Braumalz länger geröstet, damit es die dunkle Farbe und Aromen nach Kaffee- und Kakaonoten erhält. Das untergärige Pilsner Bier (Pils) hat im Vergleich zu anderen Biersorten einen erhöhtem Hopfengehalt und bietet daher den herberen Biergenuss. Bei Weizenbier werden die Biere mit einen höheren Weizengehalt (durch Weizenmalz) hergestellt.“

Was macht gutes Bier aus?

Jekle: „Wie bei jedem Lebensmittel ist auch bei Bier der Geschmack sowie alle weiteren sensorisch erfassbaren Qualitäten wie Schaumstabilität und das Mundgefühl verschieden. Neben individuellen sensorischen Aspekten gibt es bekannterweise auch regionale Unterschiede. So ist das beliebteste Bier in Deutschland das Pils, während vor allem in Bayern und auch Baden-Württemberg auch gerne Weißbier (Weizenbier) getrunken wird. Auch hier gilt, dass die Zutaten und der Brauprozess wesentlichen Einfluss auf die Qualität eines Bieres haben. Damit zeichnen die besten Biere auch gute Brauer aus.“

Gibt es besondere Biere? Regionale Unterschiede?

Jekle: „Jeder, der in Köln einmal verweilte, kennt das Kölsch, das traditionell in schlanken, zylinderförmigen Gläsern, im Kölschglas oder der Stange, serviert wird. Diese Variante wirkt für den Bayern eher „zierlich“ der mit seinem 1L Maßbier gerne das süffige Helle trinkt.  Auch hier zeichnet der Name die Herstellung aus. Beim Hellen wird von hellen Lagerbieren gesprochen, die malzaromatisch und süßlich sind, zugleich aber auch fruchtig-frisch. Also ja. Es gibt eine Vielzahl besonderer Biere und regionaler Unterschiede.“

„Wie lange dauert der Brauprozess und kann man das wirklich auch in der Badewanne machen?“

Jekle: „Der Brauprozess dauert in der Regel circa einen Tag. Und ja, der Brauprozess könnte technisch, jedoch wohl mit Qualitätseinbußen, in der Badewanne ablaufen. Der sich anschließende Lagerprozess dauert jedoch Wochen bis Monate, bevor das Bier trinkbar ist und erfolgt in größeren Tanks bzw. Fässern oder in der Flasche. Während der Lagerung reift der Geschmack des Bieres und erwünschte Aromen bilden sich weiter auf. Unerwünschte Aromen wie z.B. Diacetyl (Butteraroma) baut sich ab. Weiterhin setzen sich während der Lagerung des Bieres Schwebstoffe am Boden des Behälters ab und das Bier wird klarer (Klärung). Als weitere Vorgang entwickelt sich Kohlensäure durch natürliche Nachgärung oder auch Karbonisierung.“

Alkoholfreie Biere sind immer weiter auf dem Vormarsch. Doch wie funktioniert das eigentlich? Wie bekommt man den Alkohol aus dem Bier?

Jekle: „Prinzipiell gibt es zwei Verfahren um den „Alkohol aus dem Bier zu bekommen“. Zum einen wird nach einer normalen Bierherstellung inklusive der Alkoholproduktion und einer Bierreifung im Lagertank der Alkohol im Anschluss daran wieder aus dem Bier entzogen. Hierfür kann eine Vakuumdestillation oder Membrantrennverfahren angesetzt werden. Durch das Ansetzen eines Vakuums unter 50 °C kann der Alkohol schonend bei niedriger Temperatur verdampft und so aus dem Bier herausgelöst werden. Dem Bier wird so viel Alkohol entzogen, dass alkoholfreie Biere mit maximal 0,5%vol Restalkohol vorhanden ist. Beim zweiten Verfahren, der gestoppten Gärung wird der Brauprozess klassisch gestartet, also Hefe der Bierwürze beigesetzt. Die Hefe verstoffwechselt den in der Würze vorhandenen Zucker v.a. zu Alkohol. Bei der gestoppten Gärung wird die Gärung gemäß der Bezeichnung bei einem Alkoholgehalt von maximal 0,5%vol gestoppt, indem die Würze kurz stark erhitzt wird. Die Temperatureinwirkung inaktiviert die Hefe und die Hefe kann keinen weiteren Zucker mehr in Alkohol umwandeln. Da bei diesem Prozess mehr Zucker im Bier vorhanden ist, da die Hefe diesen Zucker nicht in Alkohol umwandeln konnte, wie beim ersten Verfahren, schmeckt das Bier auch deutlich süßer.“

Was ist der Unterschied zwischen Pils und Weizen?

Jekle:“ Biere werden grundsätzlich ich zwei Kategorien aufgeteilt, und zwar in obergärig und untergärige Biere. Die Bezeichnung klingt zunächst etwas sperrig, jedoch gibt es einen ganz einfachen Unterschied, und zwar liegt der in der Hefe. Um aus der Bierwürze und dessen Zucker durch Gärung Alkohol entstehen zu lassen, wird Hefe zugesetzt. Prinzipiell kann man die Hefe unterscheiden in obergärige und untergärige Hefe. Daher auch die Bezeichnung von unter- und obergärigem Bier. Die obergärige Hefe bildet bei der Hefevermehrung Sprossverbände die verbunden bleiben und durch aufsteigende Kohlensäure im Bier noch oben treiben. Demnach liegt die Hefe bei der Gärung oben auf, also OBERgärig. Die untergärige Hefe bleibt während der Gärung nicht verbunden und setzt sich unten am Boden ab. Demnach UNTERgärig Die obergärige Hefe benötiget im Übrigen für die Gärung wärmere Temperaturen als die untergärige Hefe, die bei niedrigeren Temperaturen aktiv ist. Warum nun diese Ausführung? Pils schmeckt intensiver nach Hopfen und ist bitterer als Weizenbier, es ist ein untergäriges Bier. Weizenbier hingegen ist ein obergäriges Bier, wie auch Kölsch oder Alt. Weizenbier verdankt seinen Namen im Übrigen seinen Inhaltsstoffen. So wird bei der Herstellung von Weizenbier mit einem höheren Anteil an Weizenmalz gebraucht im Vergleich zu Pils. Typisch für Weizenbier ist auch sein weiches Geschmacksprofil und einer fruchtigen oder würzigen Frische. Einige Weizenbiere zeichnen auch die Besonderheit aus, dass sie Bananen- oder Nelkenleitaromen aufweisen. Diese Aromen werden neben der alkoholischen Gärung durch spezifische Hefestämme gebildet. Auch zeichnet die höhere Weizenmenge im Weizenbier das eher cremigere und vollere Mundgefühl beim Trunk, durch eine erhöhte Viskosität des Bieres, aus.“

Und noch eine Frage zum Abschluss: Warum überhaupt Bier? Das ist doch bitter! Wieso stehen da so viele drauf?

Jekle: „Bier gilt als eines der ältesten alkoholischen Getränke. Getreide wurde gesammelt und zufällig mit Wasser stehen gelassen bis durch eine Spontanfermentation (Hefen gibt es überall, auch in der Luft) diese Maische nach einigen Tagen zu gären begonnen hat. Aktuellen Daten nach soll das Bier älter als 9000 Jahre sein. Die Hintergründe zur Beliebtheit sind vielzählig. Zum einen war und ist Bier nahrhaft durch den Getreideanteil. Diesen Vorteil nutzten gerade Klöster im Mittelalter während der Nahrungseinschränkungen in der Fastenzeit. So wurde die Regel übertragen „Was flüssig ist, bricht kein Fasten“.  Daher rührt auch die Herkunft der Starkbiere. Weiterhin konnten einige krankheitserregende Keime durch den Alkoholgehalt im Getränk reduziert werden. Trinkwasser war oftmals mit Fäkalien verunreinigt. Somit war Bier damals, zumindest in Teilen und mikrobiologisch gesehen, das „gesündere“ Getränk. Auch wurde in manchen Epochen Bier als Medizin ausgelobt. Und natürlich war die berauschende Wirkung von Alkohol schon jeher für den Menschen interessant.“

Und daran wird sich auch in naher Zukunft so schnell nichts ändern. In dem Sinne: Zum Wohl!

Katja Narkprasert

Press and Media Relations