In Zeiten kontinuierlicher Negativschlagzeilen zu Steuerehrlichkeit und prominenten Steuervergehen analysiert Prof. Dr. Tennert die Themen Steuermoral und Steuerehrlichkeit.
Steuerhinterziehung oder positiv formuliert Steuerehrlichkeit sind viel diskutierte Themen im privaten oder öffentlichen Raum. Oftmals geht es hier um Steuerbetrug, Steuerskandale oder die Diskussionen um die Redlichkeit des einzelnen Bürgers wie auch großer Unternehmen, öffentliche Leistungen nicht nur in Anspruch zu nehmen, sondern durch Steuerzahlungen auch einen Beitrag zu deren Finanzierung zu leisten. Üblicherweise wird Steuerhinterziehung im Kontext mit anderen illegalen Aktivitäten wie Schwarzarbeit, Sozialkassenbetrug oder Korruption gesehen. Diesen Aktivitäten ist gemein, dass sie im Verborgenen stattfinden und die handelnden Akteure hoffen, unentdeckt zu bleiben. Bei der Steuerhinterziehung handelt es sich einerseits um rein monetäre Aspekte bzw. Transaktionen, wenn Einkommen nicht ordnungsgemäß deklariert werden. Steuervermeidung bzw. -hinterziehung liegt jedoch auch dann vor, wenn andererseits „schwarz“ gearbeitet wird, um Sozialabgaben oder die Umsatzsteuer „einzusparen“. Steuerhinterziehung ist demnach auch ein Teil der Schattenwirtschaft.
Mitunter vollziehen sich diese Handlungen gar nicht so sehr im „Schatten“ wie man annehmen möchte: Gerade in urbanen Ballungszentren zeigt sich hier eine illustre Vielfalt an Beispielen: das Restaurant, das lediglich Testbons ausstellt oder ganz auf eine Rechnung verzichtet, die Bar, die an der Tür ausweist „cash only“, Mietwagenunternehmer, die Plattformen wie Bolt, Uber oder Freenow für Sozialkassenbetrug nutzen, der Späti an der Ecke wie auch der Barber-Shop oder der Imbiss, wo im Regelfall Kunden keinen Kassenbon bekommen und die Einnahmen dem Finanzamt allenfalls in geringer Dosierung gemeldet werden, da Kontrolldichte und -wahrscheinlichkeit äußerst gering sind, wie die Finanzämter selbst zugeben. Und auf der anderen Seite stehen normale Arbeitnehmer, bei denen die Einkommen und Sozialabgaben automatisch mit der Gehaltsabrechnung abgezogen werden. Hier stellt sich dann schon die Frage nach der Gerechtigkeit in der Anwendung und Durchsetzungspraxis von Steuerregularien. Der Beitrag von Tennert und Arenberg zum Themenbereich Steuermoral und Steuerehrlichkeit behandelt u.a. Gerechtigkeitswahrnehmungen und individuelle Einflussfaktoren im Kontext des Steuerzahlen aus einer wirtschaftspsychologischen Perspektive.
Prof. Dr. Tennert, was ist Steuermoral? Was ist Steuerehrlichkeit?
“Zu beiden Begriffen gibt es eine Vielzahl an Definitionen. Im Kern handelt es sich bei der Steuermoral um individuelle Einstellungen zum Steuerzahlen, zu Steuerthemen oder gegenüber den Finanzbehörden. Der Begriff der Steuerehrlichkeit bezieht sich hingegen auf die Meldung aller Einkünfte, Steuerverbindlichkeiten und Steuerzahlungen an das Finanzamt unter Einhaltung der jeweiligen Steuergesetze, Verordnungen und Durchführungsbestimmungen.”
Wovon hängen eine gute Steuermoral und eine gute Steuerehrlichkeit ab?
“Das sind die zentralen Fragen der wirtschaftspsychologischen Forschung. Bei der Steuermoral sind es die Einstellungen zum Sinn und zur Nutzung von Steuern oder dem Verhalten gegenüber den Steuerbehörden. Hier spielen somit Faktoren der gesellschaftlichen Verpflichtung und Verantwortung eine Rolle. Einen hohen Einfluss haben auch eine Reihe klassischer soziodemografischer Faktoren wie Erwerbstätigkeit, Geschlecht, Alter oder die Einkommenshöhe. Aktuellere Untersuchungen rücken den Fokus zudem auf genuin psychologische Faktoren wie die Persönlichkeit oder etwa sozio-politische Faktoren wie etwa die Staatsnähe. Wer sich einem Staat nicht verbunden fühlt oder extremer, ihn sogar verachtet, wird sich nicht durch hohe Steuermoral auszeichnen. Bei der Steuerehrlichkeit sind im Rahmen der Forschung vor allem Gerechtigkeitskonzepte und die Rolle von Emotionen im Kontext des Steuerzahlens relevant, wie aktuelle Untersuchungen zeigen.”
Was lässt sich tun, um Steuermoral und Steuerehrlichkeit zu erhöhen?
“Hier können wissenschaftliche Erkenntnisse eine Basis für politisches Handeln sein. Eine zentrale Herausforderung für Regierungen und Behörden besteht darin, die richtige Kombination verschiedener Maßnahmen – etwa der Durchsetzung, der Erleichterung und des Vertrauens – zu finden, um Steuermoral und Steuerehrlichkeit zu erhöhen. Gerade das Thema behördenbezogenes Vertrauen wird in den letzten Jahren verstärkt unter dem Begriff Slippery Slope Framework (SSF) der Steuerbefolgung diskutiert. Der Ansatz zeigt, dass das Befolgungsverhalten der Steuerpflichtigen von zwei Dimensionen abhängt, erstens Vertrauen in die Behörden und zweitens Macht der Behörden. Wir kommen hier auf die eingangs erwähnten Beispiele zurück, bei den die Kontrolldichte in einigen Bereichen sehr gering ist, was eben nicht zu einer Vertrauensverstärkung führt. Ein weiterer Ansatzpunkt, der in Fachkreisen wie in der Politik diskutiert wird, ist das Nudging. Nudges, die auf Abschreckung und Druck abzielen, erhöhen ganz grundsätzlich Steuerehrlichkeit und sind starke Katalysatoren für die Einhaltung der Steuervorschriften. Daher wird aktuell die Beeinflussung der Steuerehrlichkeit über Nudging durch politische wie administrative Maßnahmen erörtert.”
Mehr Informationen zu Steuerehrlichkeit und Steuermoral sowie weitere aktuelle Entwicklungen in Wissenschaft und Praxis – immer aus dem Blickwinkel des Finanzwesens – finden Sie in der kürzlich erschienenen Schriftenreihe: Finance-Perspektiven im Wandel – Digital, nachhaltig, resilient (Springer Verlag).
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Falk Tennert ist Professor für Wirtschaftspsychologie mit dem Schwerpunkt Medien und Kommunikation an der SRH Fernhochschule – The Mobile University. Seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte umfassen Forschungsmethoden und Datenanalyse, Medien- und Kommunikationspsychologie sowie Markt- und Konsumentenpsychologie.
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