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Wie KI die Redaktionsarbeit verändert

Der Einsatz künstlicher Intelligenz verändert die Medienberichterstattung und die Art, wie in Medienhäusern gearbeitet wird. (Lesedauer: 6 min)

Wie Künstliche Intelligenz (KI) die Medienberichterstattung verändert

In der redaktionellen Arbeitswelt herrscht eine gewisse Grundsorge, dass durch den Einsatz generativer künstlicher Intelligenz (genAI) wie ChatGPT oder Google Bard Arbeitsplätze wegfallen und der Betriebsfrieden in Medienunternehmen gefährdet ist. Hinzu kommen Bedenken, dass durch genAI nicht nachweisbare Desinformationen verfasst und verbreitetet werden, die zur Diskriminierung gegenüber Personen oder Gruppen beitragen und gesellschaftliche Ungleichheiten verstärken.

Wie sieht die aktuelle Situation aus?

Eine gemeinsame Umfrage der London School of Enonomics und Google News Initiative unter 120 Journalisten aus Nachrichtenredaktionen in 46 Ländern ergab, dass mehr als 75 % der Befragten KI bereits nutzen, etwa zur Trenderkennung oder -transkription, für Inhalte, Personalisierung und viele andere Anwendungen. Viele Befragte artikulierten, dass dadurch die Rollen der Journalisten und somit auch die gefragten Fähigkeiten innerhalb von Nachrichtenredaktionen verändert werden und äußerten Bedenken hinsichtlich der ethischen Auswirkungen von KI auf die redaktionelle Qualität und andere Aspekte des Journalismus.

Andererseits hat der Weltzeitungsverband (WAN-IFRA) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Schickler im Mai 2023 eine Befragung zur Nutzung von generativer KI im Publishing unter Nachrichtenredakteuren, Journalisten und Verlagsmanagern durchgeführt und bestätigt, dass Newsrooms die Vorteile von generativer KI erkennen. Allerdings stünden 51% der befragten Redaktionen im Hinblick auf neue, sich entwickelnde KI-Tools kritisch gegenüber.

Wie KI in deutschen Medien eingesetzt wird

Doch welche konkreten Maßnahmen werden bereits in deutschen Medienhäusern ergriffen, um KI zur Aufbereitung und Verbreitung von Informationen zu nutzen? Der „Tagesspiegel“ zählt etwa zu den Unternehmen, die ein Innovation Lab mit Redakteuren und Software-Entwicklern betreiben, um die Entwicklung multimedialer Erzählformate mithilfe von KI-Technologien zu erproben. In der redaktionellen Praxis der Berliner Tageszeitung werden Tools wie ChatGPT, PerplexityAI, SciSpace Copilot, Midjourney oder Dall-E beim Texten, Recherchieren und dem Entwickeln von Bild- und Illustrationsideen eingesetzt.

So überrascht ebenfalls nicht, dass Rundfunksender „text-to-speech“ oder „text-to-video“-Angebote einsetzen, um beispielsweise Wetter- und Verkehrsmeldungen zu verbreiten oder um für mehr Barrierefreiheit zu sorgen (u.a. rbb24, Bayerische Rundfunk, WDR, Hit Radio FFH). Voll im Trend liegen derzeit Templates für Nachrichtenvideos mit Avataren, also mit künstlichen Sprecherinnen und Sprechern. Das führt dazu, dass neben Agenturen für neue Medien auch Softwareunternehmen wie Adobe oder Grafikdesign-Plattformen wie Canva animierte Avatare für Blogs, Podcasts oder News-Berichterstattung anbieten.

Beim Blick in die Praxis wird deutlich, dass mit KI bereits Bilder für Artikel oder die Titelseiten von Printprodukten generiert werden, bei denen es sich jedoch keineswegs um fotorealistische Aufnahmen handelt. Potenziale bestehen jedoch bei der Herstellung von Audioaufnahmen, die sich vor allem in der Produktion, im Schnitt, im Transkribieren und in der Verbesserung der Tonqualität auswirken.

Was spricht eigentlich auch dagegen, dass auf der Grundlage strukturierter Daten und mithilfe von „data-to-text“-Technologien rein informative Texte generiert werden? Und die dafür verwendeten Daten von renommierten Anbietern wie dem Deutschen Wetterdienst, dem Deutschen Fußballbund oder von Bundesämtern stammen? Oder dass die technische Qualität von Produktionen optimiert werden kann?

Wie wird die Medienzukunft mit KI aussehen?

Es ist davon auszugehen, dass KI zunehmend zur Steigerung der Effizienz und Produktivität in die Redaktionsarbeit integriert wird, um Journalisten mehr Freiraum für kreativere Arbeit einzuräumen.

Dafür ist es aber erforderlich, dass Medienunternehmen institutionelle KI-Strategien entwickeln und hierbei festlegen, in welchen Nachrichtenbereichen die Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. Also in der gesamten Wertschöpfungskette wie Sammlung/Recherchen, Produktion und Verbreitung von Informationen oder lediglich in Teilen davon? Und bei welchen Tätigkeiten können personelle Ressourcen eingespart bzw. anderweitig eingesetzt werden? Und inwiefern kann dabei die Interoperabilität gesteigert werden, dementsprechend die Funktion von Informationssystemen, Daten auszutauschen und die Weitergabe von Informationen zu arrangieren?

Am besten wäre vermutlich, zuerst den verantwortungs­bewussten Umgang mit KI zu klären und festzulegen, auf welche Weise die Intelligenz in das hausinterne Redaktionssystem integriert werden kann.

Neue Services durch KI

Bedenken Sie ebenso: Beim Einsatz von KI geht es insbesondere auch um neue (Bezahl-)Inhalte und Services, die mithilfe der Künstlichen Intelligenz von Verlagshäusern erschlossen werden. Und um den Verlust von Arbeitsplätzen, wenn KI in großem Umfang eingesetzt wird sowie um eine fehlende kritische Bewertungsfähigkeit, komplexe Informationen zu bewerten, und einem Mangel an menschlicher Empathie und Sensibilität.

Aber ebenso betrifft es die Zeitersparnis, wobei durch KI mehr Beiträge verfasst und journalistische Kernaufgaben stärker wahrgenommen werden können. Gemeint sind die Automatisierung von Routineaufgaben, die Verarbeitung großer Datenmengen und die Identifizierung von Mustern bei Recherchen.

Berührungsängste vermeiden

Insgesamt ist man klug beraten, Berührungsängste gegenüber fortschrittlichen Technologien abzubauen, die es Computern ermöglicht, Aufgaben zu erledigen, die im Allgemeinen menschliche Intelligenz erfordern würden. Bei diesem Vorgehen sollte allerdings darauf geachtet werden, dass journalistische Standards und Qualitätskriterien im Rahmen der Berichterstattung volle Berücksichtigung finden und rechtliche Aspekte wie Urheberrecht, Datenschutz und rechtlichen Haftung geklärt sind.

Fakt ist jedenfalls: Die gesamte Informationslandschaft wird sich verändern.

Referenzen

SRH Fernhochschule | Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni

Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni

ist Professor für Medien- und Kommunikations­management an der SRH Fernhochschule - The Mobile University.

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