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Pressemitteilung

Was kann Cannabis? - Fragen & Antworten zur Wirkung der heiß diskutierten Pflanze

Der Konsum von Cannabis wird für Erwachsene in Deutschland legal. Dr. Melisande Holzer beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen zur Pharmakologie der Pflanze.

Die Pflanze mit den markanten Blättern löst bei vielen Menschen Emotionen aus. Zur anstehenden Legalisierung gibt es die ebenfalls. Doch die Erläuterung der rechtlichen Aspekte überlassen wir Prof. Dr. Simon A. Fischer, der in seinem neuesten „Law Cast“ die juristischen Fragen rund um das neue Cannabis-Gesetz erklärt. Was genau in Cannabis enthalten ist, wo der Unterschied zwischen THC und CBD liegt, was es mit der berauschenden Wirkung auf sich hat und wie die Pflanze zum Beispiel Chemotherapie-Patienten hilft, erörtern wir im Gespräch mit Dr. Melisande Holzer.

Was genau ist Cannabis?

Holzer: „Cannabis, auch bekannt als Cannabis sativa, zählt, wie auch der Hopfen (Humulus), zu der Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae). Sie ist in ihrem natürlichen Umfeld eine einjährige, krautige Pflanze, stirbt nach Samenreife ab, kann aber vegetativ über viele Jahre erhalten werden. Unter günstigen Umständen kann die Pflanze eine Höhe von mehreren Metern erreichen. Die Blätter bilden an der Epidermis sog. Trichome (Drüsenzellen) aus, die an den weiblichen Blütenblättern eine besonders hohe Dichte erreichen können. Diese Trichome sind Bildungs- und Speicherort der Cannabinoide. Darunter sind vor allem THC und CBD bekannt.“

Begrifflichkeiten: Was ist der Unterschied zwischen Haschisch und Marihuana?

Holzer: „Man kann aus Cannabis Marihuana und Haschisch gewinnen. Marihuana besteht aus getrockneten Blütenblättern und Zweigspitzen. Haschisch ist das getrocknete Blütenharz.“

Ist die Zusammensetzung und damit mögliche Rauschwirkung in jeder Pflanze gleich?

Holzer: „Nein. Der Gehalt der verschiedenen Cannabinoide variiert stark zwischen unterschiedlichen Hanfsorten. Die Wahl der Hanfsorte hängt oft von den persönlichen Vorlieben, den gewünschten Effekten und dem beabsichtigten Verwendungszweck ab. Durch Züchtung ist es einerseits beispielsweise gelungen, Hanfpflanzen mit sehr geringem Cannabinoidgehalt zu erhalten, deren Anbau als Industriehanf auch in Ländern mit sehr strengen Grenzwerten möglich ist. Auf der anderen Seite werden Sorten mit seinem sehr hohen Gehalt an Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC)  und/oder Cannabidiol (CBD), sowohl für den Freizeitkonsum als auch für therapeutische Anwendungen gezüchtet.“

Welcher Art können diese therapeutischen Anwendungen sein?

Holzer: „Bereits in der Zeit vor Christus war Cannabis als Heilmittel bekannt. Medizinischer Cannabis ist in Deutschland seit dem 10. März 2017 zugelassen. Zu diesem Zeitpunkt trat das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften in Kraft, das den Zugang zu Cannabisblüten und -extrakten für medizinische Zwecke regelte. Vor diesem Datum war der Zugang zu medizinischem Cannabis in Deutschland stark eingeschränkt und wurde nur in Ausnahmefällen genehmigt. Die Legalisierung von medizinischem Cannabis hat den Zugang für Patienten mit bestimmten schweren Erkrankungen erleichtert, die von den therapeutischen Wirkungen von Cannabis profitieren können. So wird es zum Beispiel zur Linderung von Schmerzen eingesetzt. Auch zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen, z. B. bei Chemotherapie, oder zur Appetitanregung, z. B. bei HIV- oder AIDS-Patienten. Ein weiterer Einsatzbereich ist die Behandlung von Spastiken bei multipler Sklerose. Darüber hinaus zeigen Studien auch Potenzial bei der Behandlung von Epilepsie, posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD) und anderen neurologischen Erkrankungen.“

Nun wird Cannabis ja nicht nur zu medizinischen Zwecken genutzt. Auch gesunde Menschen verwenden die Pflanze, um bestimmte Effekte zu erzielen. Welche sind das?

Holzer: „Einige Menschen verwenden Cannabis zur Entspannung und zur Verbesserung ihrer Stimmung. Die psychoaktive Verbindung Tetrahydrocannabinol (THC) ist für die euphorisierende Wirkung von Cannabis verantwortlich. Darüber hinaus gibt es aber auch noch industrielle Anwendungsbereiche. Hanffasern werden für die Herstellung von Textilien, Seilen, Papier und anderen Produkten verwendet. Hanfsamen werden auch als Nahrungsmittelquelle genutzt und enthalten wertvolle Nährstoffe wie Proteine, Ballaststoffe und Omega-3-Fettsäuren.“

CBD & THC: Wie genau wirkt THC auf Körper und Geist des Menschen?

Holzer: „Jetzt wird es wissenschaftlich. Die medizinische Wirksamkeit verdankt der Hanf vor allem seinen über 120 verschiedenen Cannabinoiden. Die wichtigsten und am besten untersuchten hiervon sind Cannabidiol (CBD) und Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC). CBD und THC besitzen beide ein breites Wirkungsspektrum und wirken über das Endocannabinoid-Rezeptorsystem. Die CB1-Rezeptoren sind hauptsächlich im zentralen Nervensystem vorhanden, insbesondere im Gehirn und im Rückenmark, in geringerem Maße aber auch in einigen peripheren Geweben und Organen wie der Leber, den Lungen und den Nieren. Die CB2-Rezeptoren sind hauptsächlich an Immunzellen, Mikroglia und im Hirnstamm zu finden. Sie sind auch in anderen peripheren Geweben wie Knochen, Haut und Milz vorhanden, aber in geringerer Dichte als CB1-Rezeptoren.

Durch die Bindungen der Cannabinoide an die Cannabinoid-Rezeptoren in Gehirn und Rückenmark sowie im peripheren Nervensystem können sie das Schmerzempfinden dämpfen, den Appetit steigern, Brechreiz lindern und wirken ebenso krampflösend. THC bindet bevorzugt an die CB1-Rezeptoren und ist daher im Gegensatz zu CBD für die psychoaktiven Effekte verantwortlich. Das heißt, es kann Veränderungen der Psyche und des Bewusstseins auslösen und so Wahrnehmung, Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen. CBD ist im Gegensatz zu THC praktisch nicht psychoaktiv. Die genaue Wirkung im Zusammenspiel von THC und CBD und welche weiteren Cannabis-Inhaltsstoffe noch an der Wirkung beteiligt sind, ist noch unklar.“

Welche Gefahren birgt der Konsum?

Holzer: „Die Reaktion des Körpers auf die Inhaltsstoffe von Cannabis ist äußerst variabel und schwer vorhersehbar. Zu den Faktoren, die hierbei eine Rolle spielen, gehören die individuelle Empfindlichkeit, die momentane Stimmungslage, die Form der Applikation, der Gesundheitszustand, der gleichzeitige Konsum anderer Substanzen sowie vorherige Erfahrungen mit Cannabis. Die Intensität und Dauer der Wirkung werden maßgeblich von der Dosis bzw. Konzentration der Cannabis-Inhaltsstoffe beeinflusst. Akute Nebenwirkungen können innerhalb von Stunden bis Tagen nach dem Konsum auftreten. Diese können unter anderem Angst- und Panikgefühle, Desorientierung, verminderte Reaktionsfähigkeit, Gedächtnislücken, depressive Verstimmung, Herzrasen, Übelkeit, Schwindel und Halluzinationen umfassen. Bei langanhaltendem Konsum besteht die Gefahr von psychischen Störungen wie Depressionen und Psychosen bis hin zur Entwicklung einer Abhängigkeit.“

Warum ist der Konsum von Cannabis besonders für Kinder und Jugendliche so gefährlich?

Holzer: „Der Konsum von Cannabis birgt Gesundheitsgefahren, insbesondere für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. THC kann als psychoaktiver Stoff hirnschädigend wirken, indem es in die, während der Hirnentwicklung fein abgestimmte Regulation des Endocannabinoid-Systems eingreift und es dadurch während dieser sensiblen Entwicklungsphasen zu langfristigen Veränderungen in der Hirnstruktur und derer Funktionen führen kann. Daher sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zu einem Lebensalter von 25 Jahren, besonders anfällig für psychische, physische und soziale Auswirkungen eines langfristigen, aber auch eines kurzfristigen Cannabiskonsums.“

Cannabis kann viel und wird in vielen unterschiedlichen Bereichen verwendet. Was den Konsum angeht, ist dieser nach wie vor mit Vorsicht zu genießen. Wie sich das neue Gesetz gesellschaftlich und gesundheitlich auf die Bevölkerung auswirkt, bleibt abzuwarten. Doch klar ist auch: Das Kraut hat vor allem im medizinischen Bereich Potenzial, Menschen helfen zu können.

Katja Narkprasert

Press and Media Relations