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Wie umgehen mit dem Erlebnis sexueller Gewalt? Eine psychologische Perspektive.

Hannah Graf schrieb ihre Masterarbeit in Psychologie über ein schwieriges, aber wichtiges Thema: Welche Folgen hat sexuelle Gewalt gegen Frauen und welche Strategien helfen bei der Bewältigung eines solchen Erlebnisses? Ein Interview.

Hannah Graf hat ihr Masterstudium in Psychologie abgeschlossen. Aus ihrer Werkstudententätigkeit in einer rechtspsychologischen Gutachtenstelle heraus entwickelte sie ihr Thema für die Masterarbeit: Welche Folgen hat sexuelle Gewalt gegen Frauen und welche Strategien helfen bei der Bewältigung eines solchen Erlebnisses? Ein schwieriges, aber wichtiges Thema. Wir sprechen mit ihr über ihre Untersuchung und ihre weiteren Pläne nach dem Studium.

Hannah, was haben Sie in Ihrer Masterarbeit untersucht?

In meiner Master-Thesis habe ich die kurz- und langfristigen Folgen von sexueller Gewalt gegen Frauen untersucht sowie deren individuelle Bewältigungsstrategien. Da die Auswirkungen von Missbrauch in der Kindheit bereits viel erforscht sind, lag der Schwerpunkt meiner Arbeit auf den Erfahrungen sexueller Gewalt im Erwachsenenalter. Dazu interviewte ich Fachexperten sowie Frauen, die in der Vergangenheit Opfer sexueller Gewalt wurden, um ihre Erfahrungen aus erster Hand zu erfassen.

Welche Implikationen haben die Ergebnisse Ihrer Arbeit?

Die Ergebnisse meiner Arbeit zeigen, dass Psychotherapie dazu beitragen kann, die Erfahrung sexueller Gewalt zu bewältigen. Daher sollte der Zugang zu Psychotherapie zukünftig erleichtert werden und die soziale Unterstützung bei der Bewältigung sexueller Gewalt gefördert werden. Diese Entwicklungen könnten unterstützt werden durch:

  • Psychoedukation
  • Vermittlung von Kontakten zu Psychotherapeut:innen und
  • Anleitungen für Entspannungsübungen.

Aber auch den Austausch mit anderen Überlebenden zu fördern, würde betroffenen helfen. So könnten wir dazu beitragen, den Betroffenen wirksame Hilfsmöglichkeiten und Unterstützung anzubieten.
 

Psychotherapie kann dazu beitragen, die Erfahrung sexueller Gewalt zu bewältigen.

Weshalb ist das Thema so relevant für unsere Gesellschaft?

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) verzeichnet im Jahr 2022 im Ganzen 118.196 Tausend Fälle von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Deutschland.  Diese Zahlen verdeutlicht die Wichtigkeit des Themas „sexuelle Gewalt“, auch für die Forschung.

Durch die eingangs beschriebenen Interventionen kann das Gesundheitssystem entlastet werden. Das Wissen über die Folgen und Bewältigung sexueller Gewalt kann auch genutzt werden, um präventive Maßnahmen zu entwickeln und die Zahl der sexuellen Gewalttaten zu reduzieren. Es ist daher von großer Bedeutung, dieses Thema weiterhin intensiv zu erforschen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um sexuelle Gewalt in unserer Gesellschaft zu bekämpfen.
 

Welche Folgen hat sexuelle Gewalt für die Betroffenen laut Ihrer Studie?

Sowohl die Experten als auch die Betroffenen berichten von einem Zusammenhang zwischen sexueller Gewalt und der Entwicklung einer Depression und/oder einer Posttraumatischen Belastungsstörung (Traumafolgestörungen). Außerdem beschreiben sie sowohl kurz- als auch langfristige emotionale Reaktionen wie Scham- und Schuldgefühle, Angst, Panik, Ohnmacht, Wut und Ekel. Die Betroffenen ziehen sich häufig zurück und isolieren sich von anderen oder leiden anschließend unter gehemmter Sexualität und Vertrauensverlust.

Welche Arten von Bewältigungsstrategien konnten Sie identifizieren?

Die Experten und Betroffenen waren sich einig, dass soziale Unterstützung eine hilfreiche Bewältigungsstrategie ist, vor allem der Rückhalt von Freunden, die Anerkennung und Unterstützung der Familie sowie ein stabiles Unterstützungssystem, äußerst hilfreich sind.

Außerdem sehen sowohl Betroffene als auch Experten die problemorientierte Bewältigung, in Form von Psychotherapie, dem Vertrauen in das soziale Umfeld, Gespräche sowie das Öffnen und der Austausch über die traumatischen Erfahrungen, als wirksam an. Und auch die emotionsorientierte Bewältigung wie Entspannungsübungen, Achtsamkeit, Akzeptanz und das Verlassen der Opferrolle wird als hilfreich erachtet. 

Was möchten Sie mit Ihrem Masterabschluss nun machen?

Während meines Bachelor-Studiums begann ich meine berufliche Laufbahn als Werkstudentin in einer rechtspsychologischen Gutachtenstelle. Diese Tätigkeit setzte ich während meines Masters fort und wird nun, nach erfolgreichem Abschluss, in eine Vollzeitstelle als psychologische Sachverständige für die Gutachtenstelle übergehen. In meiner Funktion verfasse ich aussagepsychologische Gutachten und Gutachten gemäß dem Opfer-Entschädigungs-Gesetz.

Die Arbeit und die Berufsaussichten der Gutachtenstelle haben mich sehr motiviert, mein Studium zügig und gewissenhaft abzuschließen, um anschließend in diesem Fachbereich tätig zu sein. Sie diente auch als Inspiration für das Thema meiner Master-Thesis. Schon während meiner Tätigkeit als Werkstudentin in der Aussagepsychologie hatte ich intensiven Kontakt mit Zeugen, insbesondere mit Frauen, häufig im Zusammenhang mit Sexualdelikten.

Liebe Hannah, vielen Dank für diesen spannenden Einblick in Ihre Master-Thesis und viel Erfolg auf Ihrem weiteren beruflichen Weg als Psychologin!

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