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Wie sich die Kommunikationsarbeit 2023 verändert hat – Was bleibt von den Trends?

Die Kommunikationsbranche hat sich 2023 rasant verändert. Wir werfen einen Blick auf das zurückliegende Jahr, um für das neue Jahr zu lernen. (Lesedauer: 6 min)

SRH Fernhochschule | Prof. Dr. Angela Bittner-Fesseler

Seit drei Jahren scannt ein Forscherteam jährlich Hunderte aktueller akademischer und Wirtschafts­publikationen aus Gesellschaft, Wirtschaft und Technologie und bewertet die Ergebnisse nach ihren Auswirkungen auf die Unternehmens­kommunikation (vgl. Communications Trend Radar 2021, 2022, 2023).

Zeichnete sich in den ersten zwei Analysen z.B. die Entwicklung der nachhaltigen Kommunikation und die virtuelle Unternehmens­kommunikation – u.a. durch Corona beschleunigt – als wesentlich ab, so waren es im Folgejahr u.a. die Macht der Sprache bzw. das Bewusstsein für Sprache, das als Gigification bezeichnete Zerschlagen von Projekten in kleinste Einheiten oder auch die Verlagerung von öffentlichen zu geschlossenen Medienumgebungen und auch das komplette Erstellen von Media Content durch KI-Nutzung. 

Ressourcenverknappung in der Kommunikationsarbeit

An die erste Nennung der nachhaltigen Kommunikation im Jahr 2021 schloss sich 2023 ein erzwungenes ressourcen­bewussteres Handeln in der Unternehmens­kommunikation ab. Denn weiterer wichtiger Trend ist das Handeln bei deutlich knapperen Ressourcen – wobei hier nicht nur hochpreisiger Strom zum Drucken von Broschüren, bei Veranstaltungen oder beim Betreiben von Websites gemeint ist.

Durch Inflation und Preissteigerungen standen Unternehmen und Organisationen absolut weniger Mittel für die Umsetzung von Kommunikations­maßnahmen zur Verfügung – also ein bisher nicht gekanntes Arbeiten unter Bedingungen des Mangels. Zugleich verpflichteten Agenturen sich immer mehr öffentlich, auch das eigene Handeln nachhaltig umzubauen – angefangen von CO2-Verbrauch und einer veränderten Materialität bis hin zu neuen Denkansätzen in der Beratung ihrer Kunden.

Jetzt ist sie da, die KI

Doch die wichtigste Entwicklung konnte im Radar nicht in ihrer ganzen Tragweite betrachtet werden, da sie erst seit zu Beginn des Jahres ihre ganze Innovationskraft entfaltete: Der Siegeszug der KI erschüttert seit diesem Jahr die Kommunikationswelt. Kein Treffen von Kommunikations­managern, ohne dass diese Frage diskutiert wird. Kein Austausch unter Fachexperten ohne die Frage: Wie geht ihr mit der KI um? Zahlreiche Fachpublikationen sind voll mit dem Thema KI und den Auswirkungen auf die Branche und den Berufsstand. Der European Communication Monitor 2023 benennt dies ebenso: „Digitale Technologien, künstliche Intelligenz und Big Data verändern alles. Der Schlüssel zum Erfolg von Kommunikatoren ist die Nutzung von Technologie über automatisierte Nachrichtenübermittlung hinaus für interne Beratung und verbesserte Arbeitsabläufe“ (ECM 2023, S. 17) – und nicht mehr nur für Routineaufgaben, wie zu Beginn zunächst gedacht.

Die Erwartungen in der Branche sind hoch: In Medienbeiträgen ist von einer völligen Umgestaltung der Agenturwelt die Rede, vom Verschwinden ganzer Berufszweige, aber auch mit den Chancen, die mit dem Einsatz der KI verbunden sind. Erste Prompt-Redakteure werden gesucht, fast sofort wurden Schulungen aus dem Boden gestampft, um mit der neuen Entwicklung Schritt zu halten – vergleichbar in Intensität und Tempo mit der Verbreitung der sozialen Medien nach 2005 und der Normalität ihrer Nutzung heute. 

Künstliche Intelligenz als Storyteller

Hießen also Fachjournalbeiträge früher „10 Tipps für die erfolgreiche Krisenkommunikation“, so heißen sie heute „99+2 nützliche Prompts" (PR-Report 5/2023). Prompts für die Interne Kommunikation können heißen „Erstelle einen Redaktionsplan für unser Intranet“ oder „Entwickle Ideen für eine Mitarbeitenden-Kampagne“ (S. 31). Aus fachlicher Sicht als nützlich nicht zu unterschätzen sind KI-Storyteller, die Storys für die professionelle Auftrags­kommunikation entwickeln.

Doch sie können aber mehr als das: Auch wenn KI-Anwendungen nicht denken oder kritisch reflektieren, können sie aus der Recherche des im Netz Sichtbaren sinnvolle aktuelle Entwicklungen herausfiltern (ob sie Trend sind oder sein werden, bedarf noch der vertieften Betrachtung). Hierzu gehört bspw. das interaktive Storytelling, bei dem die Rezipienten an der Story teilnehmen können, das Multi-Plattform Storytelling über verschiedene Mediaplattformen hinweg mit immersiven Erfahrungen oder ein nonlineares Data-driven Storytelling, das klassische narrative Strukturen aufbricht, so dass die Rezipienten ein fragmentiertes, nicht chronologisches Erzählen erleben können – in einer zwischen realer Welt und Augmented Reality mäandernden Geschichte.

Diese Parallelwelten können für PR und Marketing ein Problem der diversifizierten Realitäten darstellen (Frage: Wie erreiche ich meine Stakeholder?). Zugleich kann dies eine Chance für die Kommunikation sein. Unternehmen entwickeln bereits jetzt schon virtuelle Plattformen und Dienste in Richtung Metaverse. Diese Art von Parallelwelten benannten die Forschenden im Communication Radar als wesentlichen Trend für 2023 und bezeichneten die gemischten Welten auch als Zukunft für eine neue Arbeitswelt, in der Menschen und KI zusammenarbeiten.

Sich das Unvorstellbare vorstellen

Ist das alles real und erreichbar? Hier kommt der fünfte Trend (noch aus 2023) zum Tragen: Die Unimagination – die Vorstellung des Unvorstellbaren. Es geht zum einen um unvorstellbare Situationen, die auch lähmen können, aber – sind sie einmal akzeptiert – Möglichkeiten eröffnen. Wichtig ist es, sich seine eigene Ambiguitätstoleranz und die des Teams zu trainieren, um handlungsfähig zu sein und zu bleiben.

Nicht zu unterschätzen, so die Autor:innen des Radars in ihren Schlussfolgerungen für die Kommunikations­macher, die Resilienz und Improvisation auf individueller und organisatorischer Ebene zu unterstützen und weiter zu entwickeln. Kommunikations­leiter:innen sollen hier meist besser als andere Führungskräfte auf das Unvorstellbare vorbereitet sein, da sie Erfahrung im Umgang mit Krisenkommunikation oder 24/7 Medienanfragen haben. Insofern folgen die Trends für das neue Jahr 2024 logisch aus den Trends 2023.

SRH Fernhochschule | Prof. Dr. Angela Bittner-Fesseler
Prof. Dr. Angela Bittner-Fesseler

Professur für Medien- und Kommunikationsmanagement

Über die Autorin

Prof. Dr. Angela Bittner-Fesseler ist Professorin für Medien- und Kommunikationsmanagement an der SRH Fernhochschule – The Mobile University. Sie arbeitete als Kommunikationschefin und Pressesprecherin für Wissenschaftsorganisationen, berät und beriet KMU und Startups. Zu ihren Forschungsgebieten zählen neben der Nachhaltigkeitskommunikation auch die Kommunikation von jungen Unternehmen, Gender- und Krisenkommunikation.

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