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Betriebliche Weiterbildung im Fokus der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Ein Schritt zu mehr Transparenz und Veränderung?

Eine lächelnde Frau mit langen, blonden Haaren hält ein Tablet in einem modernen Büro, während im Hintergrund zwei Männer und eine Frau sprechen.

Unternehmerische Nachhaltigkeit erfordert einen ganzheitlichen Blick: Ökologische, soziale und ökonomische Ziele lassen sich nicht isoliert betrachten, sondern müssen strategisch miteinander verknüpft und operativ integriert umgesetzt werden. In der Praxis bedeutet das: Unternehmensbereiche wie Human Resources, Nachhaltigkeitsmanagement und Finance müssen enger zusammenarbeiten, um nachhaltige Entwicklung im Unternehmen wirksam voranzutreiben und transparent darüber zu berichten.

Ein konkretes Beispiel ist die betriebliche Weiterbildung. Sie ist ein zentrales Handlungsfeld, denn Mitarbeitende zählen zu den wichtigsten Stakeholdern eines Unternehmens. Betriebliche Weiterbildung ist daher eines der wichtigsten Instrumente, um Mitarbeitende zu gewinnen und langfristig zu binden. Vielfältige Lernangebote am Puls der Zeit und individuelle Entwicklungspfade tragen wesentlich zur Arbeitgeberattraktivität bei. Voraussetzung dafür ist, dass im Unternehmen unterschiedliche Perspektiven zusammengeführt werden. 

Vor diesem Hintergrund beschäftigten sich Dr. Hoang Long Nguyen und Prof. Dr. Kathrin Krüger in einem gemeinsamen Beitrag mit der Frage, wie betriebliche Weiterbildung in der Nachhaltigkeitsberichterstattung adressiert wird und welche Implikationen und Handlungsempfehlungen sich daraus für Unternehmen ergeben. Der Artikel ist ein gelungenes Beispiel für einen interdisziplinären Forschungsansatz der Lehrenden an unserer Hochschule: Nguyen bringt seine Expertise aus der beruflichen Weiterbildungsforschung ein, Krüger ihre Kenntnis zur unternehmerischen Nachhaltigkeit und Regulatorik. Welche zentralen Erkenntnisse sie gewonnen haben und was Unternehmen daraus mitnehmen können, erläutern Dr. Hoang Long Nguyen und Prof. Dr. Kathrin Krüger im folgenden Interview. 

Betriebliche Weiterbildung ist aktuell ein viel diskutiertes Thema. Doch was ist eigentlich betriebliche Weiterbildung?

Dr. Nguyen: Das ist eine gute Frage! Grundsätzlich ist es so, dass es kein allgemeingültiges Verständnis für den Begriff der betrieblichen Weiterbildung gibt. Je nachdem, welchen Schwerpunkt man setzt – z.B. auf die Frage nach der Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen oder an welchen Lernorten Weiterbildung stattfindet - können die Definitionen variieren. Mittlerweile hat sich aber eine Definition durchgesetzt, die auch bei der europaweiten Unternehmensbefragung Continuing Vocational Training Survey (CVTS) genutzt wird. Ihr zufolge umfasst betriebliche Weiterbildung alle Weiterbildungsmaßnahmen, die vorausgeplantes, organisiertes Lernen darstellen und die vollständig oder teilweise von Unternehmen finanziert werden. Hierunter fallen die klassischen Lehrveranstaltungen in Form von Lehrgängen, Kursen und Seminaren, wie die meisten von uns gut kennen. Allerdings werden hiermit auch andere Formen der Weiterbildung berücksichtigt, wie etwa arbeitsplatznahe Qualifizierungen, selbstgesteuertes Lernen und der Besuch von Informationsveranstaltungen. 

Was macht betriebliche Weiterbildung aus Ihrer Sicht so wichtig für Unternehmen?

Dr. Nguyen: Betriebliche Weiterbildung ist mehr als nur ein Nice-to-have. Das ist heutzutage unstrittig. Weiterbildung ist ein maßgebender Faktor, um die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeitenden kontinuierlich zu fördern und damit gleichwohl die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. 

In einer schnelllebigen Arbeitswelt, in der technologische Innovationen und Marktveränderungen mittlerweile mehr oder weniger zum Alltag gehören, leistet Weiterbildung einen wichtigen Beitrag, um Employability und Motivation zu fördern.
Dr. Hoang Long Nguyen - Fachdozent für Soziale Arbeit und Erwachsenenbildung

Idealerweise führt Weiterbildung – insbesondere in betrieblichen Kontexten – dazu, dass Mitarbeitende sich in ihrer beruflichen Tätigkeit als kompetent und handlungsfähig erleben, um ihre Aufgaben wahrzunehmen und neue Arbeitsanforderungen konstruktiv zu bewältigen. 

Wenn wir davon ausgehen, dass Nachhaltigkeit sich aus den drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales zusammensetzt, dann stellt die betriebliche Weiterbildung ein wichtiges Puzzlestück der sozialen Nachhaltigkeit dar. Aufgrund dieser besonderen Relevanz der betrieblichen Weiterbildung haben wir uns in einem Forschungsvorhaben also ganz konkret mit der Frage beschäftigt, wie das Thema momentan in regulatorischen Anforderungen an die Unternehmensberichterstattung berücksichtigt wird.

Wie sehen die Anforderungen an die Berichterstattung über die betrieblichen Weiterbildungaktivitäten konkret aus?

Prof. Dr. Krüger: Aus Stakeholder-Sicht sind grundsätzlich Angaben zur Art und zum Umfang der betrieblichen Weiterbildung relevant, also sowohl qualitative als auch quantitative Daten. Welches Zeitbudget stellt ein (potenzieller) Arbeitgeber für Weiterbildung zur Verfügung? Welche betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen werden gefördert? Inwieweit werden die persönliche und berufliche Weiterentwicklung mit Maßnahmen der betrieblichen Weiterbildung verknüpft?

Insbesondere bei den quantitativen Angaben bestehen jedoch Herausforderungen, denn eine einheitliche Definition, welche Maßnahmen zu denjenigen zählen, über die berichtet werden soll, fehlt. Das birgt Raum für Interpretationen und Ermessensentscheidungen auf der Seite der Unternehmen. Das Ergebnis ist, dass Angaben uneinheitlich sind und dadurch die Vergleichbarkeit der Daten erschwert wird. Das kann sowohl die Unternehmen als auch die Mitarbeitenden verunsichern und ggf. auch zu Fehlinterpretationen führen. Nehmen wir beispielsweise an, ein Unternehmen definiert den Rahmen, was als betriebliche Weiterbildung zählt und berichtet wird, gegenüber anderen Unternehmen sehr eng. Dann könnte die Gefahr bestehen, dass sich potenzielle Mitarbeitende im Bewerbungsprozess gegen das Unternehmen entscheiden. Umgekehrt könnten Mitarbeitende enttäuscht und das Ziel der Bindung an das Unternehmen nicht erreicht werden, wenn die Definition des Begriffs zu weit ausgelegt ist und die Realität anders aussieht. Die Berichterstattung erfüllt dann ihre Informationsfunktion nicht – eine ähnliche Problemstellung, wie wir sie seit vielen Jahrzehnten aus der klassischen Finanzberichterstattung kennen.  

Welche Chancen sehen Sie in der Berichterstattung zur betrieblichen Weiterbildung?

Prof. Dr. Krüger: Durchaus viele! Eine spannende Frage ist beispielsweise: Verändert die Pflicht zur Berichterstattung auch das Handeln im Unternehmen selbst? Führt sie möglicherweise zu einer stärkeren Institutionalisierung der betrieblichen Weiterbildung – oder sogar zu einer kulturellen Aufwertung des Themas?

Das wäre ein großartiges Ergebnis, wenn Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht nur als Dokumentation, sondern als Impulsgeber für Transformation verstanden wird.
Prof. Dr. Kathrin Krüger - Professorin für Rechnungswesen und Steuerlehre

Das klingt interessant. Wo sehen Sie noch weiteren Forschungsbedarf?

Dr. Nguyen & Prof. Dr. Krüger: Für uns ist nach wie vor die Frage spannend, inwiefern neue Berichtsanforderungen wie die Corporate Sustainability Directive (CSRD) und die Sustainability Reporting Standards (ESRS) sich auf die Organisation der betrieblichen Weiterbildung in der Praxis auswirken werden. Einerseits könnten die Anforderungen Unternehmen dazu anregen, ihre bisherigen Weiterbildungsstrukturen, -prozesse und -angebote zu reflektieren. Möglicherweise ergeben sich daraus neue Impulse, wie sie ihre betriebliche Weiterbildung zukünftig gestalten möchten. Andererseits gehen wir davon aus, dass die neuen Berichtspflichten dazu führen werden, dass neue Konstellationen der Zusammenarbeit entstehen. Beispielsweise braucht es einen stärkeren Austausch zwischen Bildungsmanagement sowie Rechnungswesen und Controlling, um Daten zur Weiterbildung systematisch zu erheben, aufzubereiten und auszuwerten, damit sie für die Berichterstattung zur Verfügung stehen. Auch hier können idealerweise neue Synergiepotenziale aktiviert werden. Sie sehen, wir befinden uns noch ganz am Anfang und haben viel Forschungsarbeit vor uns, um diese Entwicklungen in den nächsten Jahren besser zu verstehen. 

Vielen Dank, Prof. Dr. Krüger und Dr. Nguyen, für die wertvollen Einblicke!

Weitere Informationen zu diesem Thema sind im Beitrag “Betriebliche Weiterbildung als Gegenstand der Nachhaltigkeitsberichterstattung” in der Fachzeitschrift bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik - online (Ausgabe 48 – Juni 2025) zu finden: https://www.bwpat.de/ausgabe/48/nguyen-krueger  

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